Was ist los an der Oberschule am Goldbach?
Ein anderer Unterricht
Zeitzeugen erzählen Langwedeler Oberschülern aus der Zeit des Dritten Reiches
Langwedel - Man kann versuchen, Kindern und Jugendlichen Geschichte aus Büchern näher zu bringen. Oder mittels Filmen. Wenn es um das „Dritte Reich“ und den Naziterror vor 70 Jahren geht, flimmern oft alte Streifen über Bildschirme. Einen anderen Versuch unternahm gestern morgen die Langwedeler Oberschule am Goldbach.
Mit Detlef Dahlke, Karl Lüneburg und Jens Rösemann hatte man drei Zeitzeugen zu Besuch, die vor den 9. Klassen der Oberschule im Bürgersaal des Langwedeler Rathauses aus ihrer Kindheit und Jugend berichteten. Für die 87 bzw. 83 Jahre alten Männer war das beileibe nicht der erste Auftritt dieser Art. Warum sie sich das immer noch antun? Vielleicht, weil direkt nach dem Krieg fast keiner mehr davon hören wollte? Dabei hatte sich Karl Lüneburg als ganz junger Mann in russischer Gefangenschaft geschworen: „Wenn Du je lebend hier wieder herauskommst, dann versuchst du der Jugend zu erzählen, wie leicht sie zu verführen ist.“ Dabei kommen Dahlke, Lüneburg und Rösemann nicht auf dem hohen Ross daher geritten, wollen und können sich auch gar nicht als kleine Widerstandskämpfer präsentieren. Im Gegenteil. „Wir sind begeistert mitmarschiert.“ Dahlke und Lüneburg sind Jahrgang 1926, wurden mit dem Nationalsozialismus groß. Auch eine gegen die Nazis aufgestellte Familie, bewahrte die Jungs nicht davor, von dem totalitären Regime eingefangen zu werden. „Die Nazis hatten einiges zu bieten.“ Etwa sechswöchige Lager an der Ostsee. Für Kinder aus Familien, in denen nie an Urlaub zu denken war, eine extrem verlockende Angelegenheit. Dass dabei auch eine militärische Vorausbildung stattfand, tat dem Vergnügen keinen Abbruch, erhöhte den Abenteuerfaktor sogar. Und dann waren die Jungs bei Kriegsausbruch nicht alt genug, um gleich Soldat werden zu können. „Ich hab‘ geheult“, erzählt Karl Lüneburg. „Vor Enttäuschung. Dabei haben wir doch gedacht, wir können und wissen schon alles.“ Wie Jungs so sind: Träume vom Heldentum und der Glaube an die eigenen Unverwundbarkeit. Lüneburg und Dahlke kommen dann noch vor Kriegsende zum Militär – und werden verwundet. „Im Grunde waren wir ja Kindersoldaten“, so Dahlke. Haben sie etwas von der Judenverfolgung mitbekommen? Gab es Bekannte die im KZ waren und es überlebt haben, was haben die erzählt? Zwei Fragen aus dem Kreis der Schüler. Dass da etwas passierte, was überhaupt nicht in Ordnung war, haben die Jungs auch schon als Kinder mitbekommen. Es gab mehr als deutliche Anzeichen. Es gab ein Regime, dass seine Machtergreifung mit allen Mitteln durchsetzte und versuchte allem dabei einen legalen Anstrich zu verpassen. „Wenn so etwas wieder passiert, dann müsst ihr auf die Barrikaden gehen“, forderte Jens Rösemann von seinen jungen Zuhörern. Wer im Konzentrationslager gelandet, gleich nach 1933, als Kommunist oder Sozialdemokrat etwa, wie Männer aus Detlef Dahlkes Gröpelinger Nachbarschaft, der redete hinterher nicht darüber. „Die haben so gut wie nix gesagt. Die sind ja auch vergattert worden.“ · jw (Quelle: VAZ vom 01.04.2014)