zeitzeugen2013kEin etwas anderer Unterricht für 9. Realschulklassen der Oberschule Langwedel

Von Jens Wenck
„Wir waren mal 12 bis 15 Leute“, sagt Detlef Dahlke und zuckt leicht die Achseln. „Jetzt sind eigentlich nur noch wir drei übrig.“ Drei, die in Schulen gehen und von früher erzählen. Die anderen beiden sind Karl Lüneburg und Jens Rösemann. „Ich bin mit 83 Jahren der Benjamin“, wird Rösemann noch an diesem Freitagmorgen im Bürgersaal des Langwedeler Rathauses sagen.

Zwei Stunden mit Zeitzeugen, die den Aufstieg und Fall der Nazidiktatur mit erlebt haben, stehen auf dem Stundenplan der 9. Realschulklassen der Langwedeler Oberschule am Goldbach. Drei alte Männer sind da aus Bremen gekommen, die gar nicht daran denken „die Klappe zu halten“, wie sie selbst sagen.

Bevor die Klischeemaschine von der Firma „Widerstand?-Wer-will-das-denn-noch-alles-hören“ anspringt, stellt der 86-Jährige Karl Lüneburg gleich mal klar: „Wir sind keine Überlebenden aus einem Lager oder so. Wir waren begeisterte Hitlerjungs, wir haben alle in einem kleinen Film mitgewirkt, der hieß: Wir sind begeistert mitmarschiert.“

Mit Beginn der NS-Diktatur eingeschult, half bei Dahlke das sozialdemokratische Elternhaus wenig gegen die braune Indoktrination. Offener Widerstand? Die Einschüchterung durch die Nazis griff sofort ab März 1933. Oder sie musste erst gar nicht zufassen, wie in der deutschnationalen und konservativen Familie von Jens Rösemann.

Welche Enttäuschung bei den drei Jungs im September 1939, als der Zweite Weltkrieg ausbrach und sie noch nicht gleich Soldaten werden konnten. „Wir wollten doch Helden sein.“ Auf Nachfrage eines Schülers wussten die Männer zu erzählen: Die Allgemeinheit war wenig begeistert vom Krieg. „Die waren eigentlich alle eher bedrückt.“ Kein „Hurra!“ wie vor dem 1. Weltkrieg. „Aber wir Jungen waren begeistert“, so Karl Lüneburg. 1944 wurde er dann doch noch Soldat. „Na, ja, da hab‘ ich dann nachher noch mein Fett weg gekriegt.“ Da war es nichts mit Heldentum. Verwundungen, russische Kriegsgefangenschaft unter elendigsten Bedingungen. „Da habe ich mir dann geschworen: Wenn Du das hier überlebst, erzählst Du später jungen Leuten davon, damit das nie, nie wieder passiert.“

Judenverfolgung? Direkte jüdische Nachbarn gab es nicht. Aber Folgen der Progromnacht blieben auch den Jungs nicht verborgen. Ebenso wie das Gefühl beim siebenjährigen Jens Rösemann, als er einer jüdischen Familie die Fensterscheibe einwarf: „Da merkt man als Kind, dass da was nicht in Ordnung war, da läuft was verkehrt.“

Detlef Dahlkes Rat an die jungen Langwedeler am Schluss lautet dann auch: „Verlasst Euch auf Eure innere Stimme, die da sagt, da ist was nicht in Ordnung. Engagiert Euch. Seid kritisch. Seid kritische Staatsbürger.“

(Quelle: Verdener-Aller-Zeitung vom 16.03.2013)

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