Sigrid Meyer-Klein und Florian Körte stellen sich Fragen in der Goldbach-Schule

Von Inka Sommerfeld

Langwedel. Das Referat hatte etwas in Gang gebracht, das die anschließenden Schulstunden noch vertieften: Florian Körte und Sigrid Meyer-Klein stellten sich jetzt den Fragen der Schüler der R9a der Langwedeler Schule am Goldbach. Körte wartet auf eine Spenderniere, und Meyer-Klein hat eine Herztransplantation hinter sich. Zuvor hatte Meyer-Kleins Sohn Enrico ein Referat zum Thema "Organspende" gehalten.

Klassenlehrerin Walburga Körn hatte ihre Schüler gut vorbereitet - fächerübergreifend in Biologie und Religion. "In Biologie behandeln wir das Thema Immunsystemerkrankungen, und da denkt jeder sofort an Aids", sagte sie. Schon nach dem Referat waren sich die Schüler bewusst geworden, wie wichtig Organspenden sind: "Es gibt viele Menschen, die darauf angewiesen sind", meinten sie. Viele Neunklässler diskutierten über das Thema auch in der Familie.

"Ich hatte nicht gedacht, dass ich etwas mit dem Herzen hätte", leitete Meyer-Klein ihren kurzen Vortrag ein. Erst fühlte sie sich schlapp, dann fiel sie ohnmächtig vom Stuhl. Sie wurde ins Rotenburger Krankenhaus gebracht, dann in die Klinik nach Hannover verlegt. Diagnose: eine seltene Herzkrankheit, bei der die Herzzellen immer weiter wachsen und sich selbst zerstören - eine Immunsystemerkrankung. "Das kann zum Tod führen, wenn es nicht behandelt wird", sagte die 52-Jährige. Sie bekam ein Kunstherz eingesetzt und wurde auf eine Liste für Transplantationen gesetzt. Vor fünf Jahren bekam sie ein Spenderherz. "Seitdem lebe ich mit einem fremden Herzen, das jetzt mein Herz ist", sagte die Daverdenerin, und: "Es war die Chance weiterzuleben."

Eingeschränktes Leben

Florian Körte hatte bei einer Routineuntersuchung erfahren, dass seine Blutwerte nicht in Ordnung waren - die Nieren funktionierten nicht richtig. Ursache: ebenfalls eine Immunsystemerkrankung. Nach zwei Jahren Kortison-Therapie dann Peritoneal-Dialyse: "Über einen Schlauch gelangen rund zwei Liter Glukose-Lösung in den Bauchraum, und über das Bauchfell wird die mit giftigen Stoffwechselprodukten angereicherte Flüssigkeit nach außen abtransportiert", erklärte der 40-Jährige. Die Prozedur machte er alle vier Stunden. "Mein Leben war sehr eingeschränkt", sagte er rückblickend. Vor vier Jahren bekam er eine Maschine, die nachts den Austausch der Flüssigkeiten erledigt, und tagsüber braucht der Völkerser nur noch zweimal zu wechseln. Seit sechs Jahren steht er auf der Transplantationsliste. "Im Durchschnitt dauert es acht bis neun Jahre lang, bis das passende Organ gefunden ist", sagte er. Bis dahin lebt er mit dem Schlauch, der aus seinem Bauch herausschaut.

Die Neuntklässler lauschten gebannt, es war mucksmäuschenstill im Raum - zwei Schulstunden lang. Die Jugendlichen wollten vieles wissen - die Palette reichte von mitfühlenden Fragen nach Empfindungen bis zu sachlichen Erkundigungen nach Kosten. "Wodurch entstehen solche Krankheiten?", fragte eine Schülerin. "Die Ursachen sind noch unklar, obwohl schon lange geforscht wird", sagte Körte. "Wie lange hält ein Spenderorgan?", lautete eine weitere Frage. "Das ist unterschiedlich - manche tragen das Herz 20 Jahre lang in sich, während das Organ bei anderen abgestoßen wird", antwortete Meyer-Klein. Um den Körper zu unterstützen, müsse sie regelmäßig Tabletten schlucken.

"Wer darf Nieren spenden?", fragte ein Schüler. "Jeder darf spenden. Der Arzt kontrolliert, ob das Organ passt", sagte Körte. Im Notfall käme sein Bruder als Spender in Betracht, doch er zieht es vor, auf die Niere eines Fremden zu warten: "Ich möchte nicht, dass mein Bruder sich Vorwürfe macht, wenn die Niere dann doch abgestoßen wird", sagte Körte. Das Alter des Spenders solle ungefähr mit dem Alter des Empfängers übereinstimmen. "Was passiert, wenn das Herz abgestoßen wird?", wollte eine Schülerin wissen. "Dann werde ich als erstes im Krankenhaus mit Medikamenten behandelt und komme eventuell auf die Transplantationsliste", sagte Meyer-Klein.

Die Schüler erfuhren außerdem, dass Meyer-Klein ihr voriges Herz für die Forschung zur Verfügung stellte, dass es bei einer Herzoperation ausgeschlossen ist, zu verbluten, und dass sie nicht weiß, wessen Herz in ihr schlägt: "Das zu erfahren ist in Deutschland nicht möglich." Jedoch sei es gestattet, anonym einen Brief an die Angehörigen des Spenders zu schreiben. "Das habe ich getan, doch keine Antwort erhalten", sagte sie. Die Jugendlichen staunten darüber, dass die in Deutschland recht unbekannte Peritoneal-Dialyse günstiger ist als Hämo-Dialyse, aber viel Organisation und Lagerraum erfordert. "Ich bestelle jeden Monat Flüssigkeit und Beutel", erzählte Körte. Zudem bestehe durch den permanent in der Bauchhöhle liegenden Katheter das Risiko von Infektionen an der Austrittsstelle oder in der Bauchhöhle.

Wie hoch die Kosten der Transplantation waren, weiß Meyer-Klein nicht: "Das übernimmt die Krankenkasse." Ebenso die Kosten für die Tabletten, und, wie bei Körte, für Flüssigkeit, Beutel und das Zubehör. Beide sind Rentner und werden von ihrer Familie in jeder Hinsicht unterstützt. "Man lernt schnell, mit der Krankheit zu leben", sagte Meyer-Klein. Körtes Frau geht inzwischen arbeiten, während er sich um Haushalt und Kinder kümmert. "Die Krankheit schwächt den Körper, wir sind oft schlapp, und es fühlt sich an, als ob wir ständig Grippe haben", erklärte Körte. Dann, zum Abschluss, wagte es ein Schüler, die Frage zu stellen, die auch die meisten seiner Mitschüler interessierte: "Wollen Sie den Schlauch zeigen, der aus dem Bauch herausschaut?" Darauf schien Körte gewartet zu haben, und die Jugendlichen staunten über den dünnen durchsichtigen Schlauch und lauschten fasziniert den Erklärungen.

(Quelle: Verdener Nachrichten 14.12.2010)

 

Go to top