Die Baustellen der Langwedeler Oberschule am Goldbach

Langwedel - Von Jens Wenck.

„Wir haben etwas Tolles vor“, sagt Rektor Rolf Bartels und strahlt. „Mal wieder“, schiebt er hinterher und strahlt noch mehr. „Neue Zeiten“ rufen sie an der Oberschule am Goldbach aus.

Diese neuen Zeiten sollen mit dem Einzug in das neue Gebäude für alle Klassenstufen gelten. In den Familien muss man sich jetzt keine Sorgen machen, dass die Kinder dann zu anderen Zeiten in die Schule gehen. Nix, hier bleibt alles, wie es ist. Aber bei dem, was sie mit ihrer Art von Schule bewirken wollen, da legen sie in Langwedel jetzt noch eine Schippe nach.

Mal ganz ehrlich, wer hat seinen Eltern und Lehrern früher den Spruch abgenommen: „Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir“? Wie oft fragt sich in gewissen, sehr traditionell geführten deutschen Lehranstalten die Schülerin, der Schüler: „Brauch ich das später im richtigen Leben überhaupt?“ Und so mancher wird festgestellt haben: „Gar nicht. Nie wieder. Ich hab mir für Noten und Abschlüsse für einen gewissen Zeitraum absolut überflüssiges Zeug in den Kopf gestopft. Spaß gemacht hat das auch nicht.“

Das soll an der Oberschule Langwedel anders sein. Rolf Bartels spricht von „kompetenzorientiertem Unterricht“ und sagt: „Das soll Können hinterlassen. Nicht Wissen.“ Natürlich haben sie am Goldbach, wie andere Schulen auch, ein Leitbild.

Da gehört der bereits genannte kompetenzorientierte Unterricht hinein. Da kommt noch „Lernen braucht Beziehung“ dazu. Also ein gegenseitiges wertschätzendes Verhältnis von Lehrern und Schülern. „Differenzierung und Individualisierung beim Lernen“ ist da niedergeschrieben. „Wir haben hier vom sehr, sehr guten Realschüler bis zum Inklusionskind alles.“ Jedes Kind lernt anders, braucht eine andere Förderung – und die soll es bekommen. Schließlich hat man sich noch eine „klare Struktur und Transparenz“ was den Unterrichtsverlauf angeht auf die Fahnen geschrieben.

Hinter alledem lauert: Die jungen Damen und Herren sollen in ihrer Schule mehr Eigenverantwortung lernen, sie sollen nach der Schule in der Lage sein, die eigene Zukunft zu gestalten.

Öha. So Leitbilder sind eine feine Sache. Vor allem, wenn man sie wie in Langwedel nicht nur für die Schule, sondern auch für den Unterricht hat. Aber wie oft bleibt es allein beim „Leitbild“?

In Langwedel tunlichst nicht. Darum hat man aus dem Kollegium heraus eine achtköpfige Steuergruppe gebildet. Die guckt, ob das überhaupt passt, was man sich da ausgedacht hat, fasst die Erfahrungen des Kollegiums zusammen. „Wir haben gesehen: Es gibt Baustellen“, gibt Rektor Rolf Bartels zu.

Wo also hapert es, wo steckt noch Entwicklungspotenzial? Man kam ganz schnell auf den Faktor „Zeit“. Ein Jahr lang setzte sich die Steuergruppe hin, erarbeitete ein neues Konzept, das, siehe oben, mit dem Einzug in die neue Schule überall umgesetzt werden soll. Weil die neue Schule endlich die räumlichen Vorausetzungen bietet, um das Konzept auch umsetzen zu können.

Ein wesentlicher Bestandteil ist: die sogenannte „Lernzeit“. Jeden Tag 45 Minuten. Für die ganze Schule. Für alle um 11 Uhr. Die Schülerinnen und Schüler bekommen einen Wochenplan, ein Logbuch. Hier steht drin, was innerhalb einer Woche zu erledigen ist. Egal wann. Gern auch in der Lernzeit. Wer Schwierigkeiten hat, der kann und sollte sich unbedingt vertrauensvoll an seine Lehrer wenden. Die altbekannten Hausaufgaben entfallen. Wobei die in der Vergangenheit auch schon mal richtig Ärger bereiten konnten. Nicht alle machen regelmäßig Hausaufgaben...

„Die Schüler sollen sich selbst für ihr Lernen verantwortlich fühlen“, so Yasmin Seebeck als eine Sprecherin der Steuergruppe. Das soll ohne direkten Druck von außen erfolgen. Wer frei, konzentriert und vor allem selbstverantwortlich und selbstgesteuert lernt und arbeitet, der hat auch mehr Erfolgserlebnisse, ist sich Andreas Kowalzik, didaktischer Leiter, sicher.

Natürlich muss man die 45 Minuten für die Lernzeit irgendwo herbekommen, auch ein Schultag ist endlich. Seit Preußens Gloria schienen die 45 Minuten für eine Schulstunde in Stein gemeißelt. Auch wenn mal jemand die berüchtigten und bei vielen Kindern unbeliebten Doppelstunden erfand. Diese 90-Minüter kürzt man in Langwedel auf 75 Minuten – gewinnt den benötigten Raum für die Lernzeit und schafft es trotzdem, die im Land Niedersachsens vorgegebene Stundentafel zu erfüllen. Die schreibt genau vor, wie viele Minuten jedes Fach zu unterrichten ist.

Noch etwas wird man für die ganze Schule verbindlich einführen, wie Yasmin Seebeck erläutert. Den „gebundenen Anfang“. Alle, wirklich alle, sind um 7.45 Uhr da. Die ersten zehn Minuten des Schultages nimmt man sich die Zeit, um anzukommen, etwas zu erzählen, organisatorisches zu klären. Seebeck: „Wir wollen so Beziehungen stärken, eine Willkommenskultur schaffen.“

Durch den klarer strukturierten Tag verspricht man sich ein entspannteres Lernen und Arbeiten für alle. Rolf Bartels lässt ganz selbstbewusst gar keine Zweifel aufkommen, dass der Langwedeler Weg und das neue Konzept viel mehr sind, als eine Absichtserklärung: „Das Bemerkenswerte ist: Es stehen wirklich alle Kolleginnen und Kollegen dahinter.“ 

(Quelle: Verdener-Aller-Zeitung vom 08.06.2018)

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