vaz 12 03 2015kZeitzeugen erzählen Oberschülern in Langwedel aus der Ära der Nazidiktatur

Langwedel - „Wir haben die volle Dröhnung der Erziehung im nationalsozialistischen Staat abbekommen,“ begrüßte Detlef Dahlke die Schülerinnen und Schüler aus der 9. Klasse der Oberschule Langwedel im Bürgersaal des Langwedeler Rathauses. Echt jetzt? Doch, genauso hat es der Mann, Jahrgang 1926, gesagt.
Dahlke ist zwar im 89. Lebensjahr, weiß aber genauso wie sein Kollege Jens Rösemann (Jahrgang 1930), welcher Sprache man sich bedienen muss, um jungen Menschen von heute aus dem ganz normalen Leben im so genannten Dritten Reich und der Zeit danach zu erzählen.

Seit 17 Jahren sind Dahlke und Rösemann als Zeitzeugen immer wieder an Schule zu Besuch. „Wir haben uns als Zeitzeugenkreis vor 17 Jahren gegründet, als Neonazis versucht haben, ihre verquasten Ideen an den Schulen zu verbreiten.“
Graue Schultheorie ist ja schön und gut. Lebendig und besser verständlich wird Geschichte aber immer gerade dann, wenn sie von Leuten erzählt wird, die dabei waren.
Detlef Dahlke wuchs in einem Arbeiterviertel in Bremen auf. Einen guten Stand hatten die Nazis da nicht. Selbst bei der letzten freien Wahl bekamen sie nicht die Mehrheit, und in Bremen schon mal gar nicht. Um an die Regierung zu kommen, brauchten Adolf Hitler und die NSDAP die Unterstützung bürgerlicher Parteien und die eines greisen Reichspräsidenten von Hindenburg. Und diese Unterstützung bekamen sie.
Die Nazis übernahmen nicht einfach die Regierung, sie sprachen selbst von „Machtübernahme“ –und meinten dass auch so. Sozialdemokraten und Kommunisten verschwanden in Konzentrationslagern. „Wenn sie dann nach einigen Monaten noch einmal zurückkamen, wenn, dann hatte man sie dazu verdonnert, kein Wort über diese Zeit zu verlieren. Und sie sagten dann auch kein Wort“, so Detlef Dahlke.
Jens Rösemann ist der Sohn eines Lehrers. Nach dem Umzug vom platten Land nach Stade, herrschte hier ein eindeutiges braunes Klima. Hier hatten die Nazis einen ganz anderen Stand als in Bremen-Gröpilingen. „Vadder entwickelte wohl gewisse Bedenken“, erinnert sich Jens Rösemann. „Aber wir haben nie darüber gesprochen. Auch nach dem Krieg nicht.“
Genau gegen dieses Schweigen und Vergessen arbeiten Dahlke, Rösemann und Kollegen seit 17 Jahren an. Solange sie noch können. Immer mit dem Hinweis an ihre jugendlichen Zuhörer: „Ihr könnt uns alles fragen.“
Dass man so „Geschichte von unten“ bewahren kann und soll, hat man jetzt auch im Landkreis Verden gemerkt, Arbeitskreise initiiert, die wie jüngst im Langwedeler Häuslingshaus geschehen, über Erzähltreffen, Geschichten und Geschichte bewahren sollen.
Von daher darf man den Zeitzeugenkreis mit Fug und Recht als frühe Einrichtung einer besonderen Erinnerungskultur betrachten. Ganz sicher haben die Zeitzeugen bei ihren Schulauftritten nicht immer die volle Aufmerksamkeit ihres gesamten jungen Publikums. Aber die eines bemerkenswert großen Teils. So wie auch dieses Mal in Langwedel zu erleben.jw

(Quelle: Verdener-Aller-Zeitung vom 12.03.2015)

vaz 12 03 2015

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