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„Es ist phänomenal …“: Erfolgreiches „Lernen ohne Lehrer“ in Langwedel
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Ein Projekt, bei dem ältere Schüler ihren jüngeren Kollegen helfen, wird ungeahnt schnell zu einem Erfolg. Auch weil zwei Frauen ganz viel Herzblut einbringen: eine Schülerin und eine Lehrerin.

„Ich wollte es ja erst nicht“, hatte Leni Niclas, 16 Jahre jung, vor ein paar Hundert Menschen in der Goldbachhalle vom Rednerpult aus bekannt. „Aber LoL macht diese Oberschule besonders“, hat sie bei der Entlassfeier für ihren Jahrgang gesagt. „LoL“ ist in den vergangenen Jahren für sie zu einem großen Hobby geworden, für das sie nachmittags freiwillig in die Schule gekommen ist, obwohl sie überhaupt nicht musste.

„LoL“? Das steht am Goldbach absolut nicht für das Handytextkürzel „laughing out loud“, was in etwa einen eruptiven lauten Heiterkeitsanfall meint. Das Langwedeler „LoL“ steht für „Lernen ohne Lehrer“ – und ist ein Kind der Coronazeit.

„LoL“ läuft mit Begleitung und Unterstützung aus dem Lehrerkollegium, besonders durch Anne-Charlotte von Witzleben, die als Leiterin des Profils Gesundheit und Soziales das Projekt vor gut drei Jahren mit Schülerinnen und Schülern aus der Taufe gehoben hat. „Da steckt das ganze Herzblut von Frau von Witzleben drin“, ist sich Leni Niclas gewiss. Das „LoL“-Prinzip ist eigentlich simpel: Die Älteren helfen den Jüngeren, bei den Hausaufgaben und überhaupt beim Lernen. Konkret unterstützten 9. und 10. Klässler die Kolleginnen und Kollegen aus den Jahrgängen 5 bis 7. Da es „LoL“ erst seit drei Jahren gibt, wächst der im Moment noch 8. Jahrgang gerade nach.

An der Oberschule gibt es die Lernzeit. Da machen die Schülerinnen und Schüler ihre Hausaufgaben. Die „LoL“-Lehrerinnen und -Lehrer gehen in die Klassen. „Und dann machen wir die Aufgaben zusammen“, sagt Leni Niclas. Das hilft nicht nur den Kleinen, sondern auch den Großen. Weil sie bei dieser Gelegenheit Grundlagen wiederholen, die sie spätestens in ihren Abschlussprüfungen wieder brauchen werden. Sie selbst habe mit vier Kids Französisch gemacht, berichtet Leni Niclas. Und dann habe ihre Französischlehrerin eine wesentliche Verbesserung der eigenen Kenntnisse attestiert.

Wer Bedarf hat, wer sich angemeldet hat, dem helfen die „LoL“-Leute auch ganz persönlich. Sei es in einem der Kernfächer, bei der Leseförderung oder bei „DaZ“ – Deutsch als Zweitsprache. Da sind „LoL“-Lehrer auch schon mal als Dolmetscher unterwegs. Für diese Hilfe gab es im fast abgelaufenen Schuljahr am Mittwochnachmittag für 6. Klässler eine Eins-zu-Eins-Betreuung. Zum Beispiel mit Lernspielen. So laufen Vorbereitungen auf Arbeiten, werden Vorträge geübt. „Wenn die dann zu dir kommen und sagen: Ich hab’ eine Zwei geschrieben, das ist schön. Das ist richtig toll.“

Das „LoL“-Team hilft nicht einfach drauf los. Vor dem Start gibt es Einweisungen, Erklärungen, Schulung. Wer sich hier engagiert, muss sich laut Leni Niclas aber auch klar sein: „Du bist ein Vorbild.“ Und zwar in allem. Im Aussehen, im Verhalten … „Die Kleinen gucken sich das ab.“ Außerdem, das gehört zur „LoL“-Entwicklung auch dazu: „Das Schulklima ist besser geworden. Zum Beispiel mischt sich das mehr in den Pausen. Große und Kleine spielen zusammen Fußball.“ Und respektieren sich.

Was auch zu „LoL“ gehört: „Das ist ein berufsvorbereitendes Projekt.“ Es gehe darum, durch das Führen von Protokollen das Dokumentieren zu lernen, Zuverlässigkeit zu beweisen und Verantwortung zu übernehmen. Wenn eine „LoL“-Lehrerin oder ein Lehrer für die Einzelbetreuung ausfallen, müssen sie selbst für Ersatz sorgen. Man stelle sich vor: Einer von den Kleinen kommt zur verabredeten Hilfe, aber „LoL“ kommt nicht. „Das geht gar nicht“, sagt Leni Niclas.

Das kommt dann auch nicht vor. „Es ist phänomenal, wie sie füreinander einspringen“, erklärt Anne-Charlotten von Witzleben. „LoL“ sei auch eine echte Entlastung für die Lehrerinnen und Lehrer. „Das ist für alle Beteiligten eine Win-win-Situation.“ Dass sich das Ganze so entwickeln konnte, hat für die Pädagogin einen entscheidenden Grund: „Leni ist das Herz von ,LoL’. Ohne sie wäre das alles nicht so einfach gewesen. Ihre kreativen Ideen, so ein Engagement … Das habe ich in diesem Ausmaß noch nicht erlebt.“ Hier gibt es dann eine kleine Pause im Interview. Über manche Emotionen kann man nicht einfach so drüber wegreden. Auch wenn sie eigentlich schön sind, aber trotzdem in dem Moment nicht erwünscht.

„,LoL’ wird mich nicht los“, hat Leni Niclas noch gesagt. Zu den Projekttagen, zur Einführung für die neuen 9. Klassen will sie auf jeden Fall kommen und unterstützen. „60 Prozent in unserem Jahrgang waren dabei“, sagt Leni Niclas. Die sind jetzt abgegangen, Nachfolger sind gefragt.

Und selbst so? Leni-Sophie Niclas geht an die BBS Dauelsen, um mit dem Schwerpunkt Sozialpädagogik ihr Abitur zu machen. Danach möchte sie ein Lehramtsstudium aufnehmen.

Quelle: Verdener-Aller-Zeitung vom 21.06.2025, von Jens-Peter Wenck